1987 veröffentlichte Prince sein neuntes Studioalbum. Vielen gilt es als Höhepunkt seines kreativen Schaffens. Ein Grund (wieder) einmal reinzuhören
Mit „Sign O‘ The Times“ schuf Prince laut Michael Neuhauser von Ö1 Radio
ein komplexes musikalisches Feuerwerk, das in so viele stilistische Richtungen ausschlägt und dabei doch so viel tiefer geht als jedes andere seiner Alben, dass einem immer wieder die Spucke wegbleibt.
und ich kann ihm nur beipflichten. Das Interessante dabei ist: „Sign ‚O‘ The Times“ sollte ursprünglich nie erscheinen. Das Album versammelt lediglich die Überbleibsel mehrerer geplanter Projekte (Prince hat immer gerne experimentiert und mit unterschiedlichen Stilen gearbeitet, teilweise hat er sogar eigene kreiert).
Prince hatte von 1984 bis 1986 drei Alben mit seine Band „The Revolution“ aufgenommen (eins davon war „Purple Rain“, das kommerziell sehr erfolgreich war). Nun plante er als weitere gemeinsame Projekte „Roadhouse Garden“ und „Dream Factory“. Ausserdem arbeitete er zeitgleich an einem Album unter dem Pseudonym „Camille“, weil er wissen wollte, ob sich seine Musik auch ohne die Marke Prince verkauft. Schliesslich noch „The Flesh“, ein jazziges Instrumentalprojekt. Doch keines dieser Projekte wurde jemals veröffentlicht. Stattdessen löste er seine Band „The Revolution” auf und arbeitete wieder allein im Studio. Er kombinierte Songs aller Konzeptionen zu einem Dreifachalbum und wollte es als „Crystal Ball“ herausbringen. Aber sein damaliges Label Warner Brothers gestattete ihm diese Veröffentlichung nicht. Und so stellte er schließlich zähneknirschend ein Doppelalbum zusammen: „Sign O‘ The Times“. Die Zeichen der Zeit waren wahrlich alles andere als einfach.
Nun könnte man annehmen, dass man dem Album dieses ganze Hin und Her anhört. Unterschiedliche Aufnahmen aus völlig unterschiedlichen Projekten, unterschiedlicher Klang seiner Stimme, das Ganze ohne Struktur und roten Faden. Mitnichten! Prince mag verärgert über die Diskussion mit seinem Label gewesen sein, aber trotzdem hat er keineswegs geschludert. Dazu war er viel zu sehr Perfektionist. Aber gleichzeitig war er mehr als bisher (oder danach) offen für Neuartiges, tolerant bei Fehlern, ja sogar dazu bereit „Schönes im Unperfekten zu finden“. Und diese dadurch entstandene Vielfalt bringt uns dieses Album perfekt nahe.
Neu auf diesem Album ist zum Beispiel, dass echte Bläser zu hören sind. Auf vorherigen Alben (zum Beispiel „Dirty Mind“ oder „Controversy“) setzte er bislang lieber Synthesizer ein. Nun hat Prince aber Eric Leeds (Tenorsaxophon) und Atlanta Bliss (Trompete) dazu geholt und gibt den beiden sogar Soli. Das erweitert und bereichert seinen Sound wie ich finde.
„Sign ‚O‘ the Times“, der Titelsong
Politisch motivierte Songs findet man bei Prince eher selten, aber dieses Album beginnt mit einem Plädoyer für Frieden und Gerechtigkeit. Das Lied ist mit einem bis dato nicht für möglich gehaltenen Rhythmus aus einer Drummachine unterlegt. Schlicht eingeleitet mit einem simplen „Oh Yeah“ zählt Prince dann zu diesem Rhythmus schlimme Ereignisse und Phänomene auf: Die Explosion der „Challenger“, AIDS, Drogensucht, Ghettos oder Waffenmissbrauch bei Jugendlichen. Ernüchternd.
„Play in the Sunshine“
Gleich noch ein Plädoyer, diesmal jedoch für bewusste Lebensfreude ungeachtet aller Probleme. Eine schnelle Nummer mit einem kreischendem Prince, jaulender Gitarre und treibendem Schlagzeug. Ein grosses ausgelassenes Durcheinander, das Spass macht. Allerdings ein bis ins Detail vom Meister brillant arrangiertes.
„Housequake“
Übergangslos macht Prince dem dann im dritten Stück ein Ende und wechselt zu funkigen Klängen mit Gitarrenlicks und Bläserkicks an denen sicher auch James Brown seine Freude hatte. Bei „Housequake“ taucht nun auch o.g. Camille auf. Prince hat seine Stimme etwas schneller abgespielt, dadurch klingt sie natürlich auch höher. Konsequenterweise erscheint Camille in den Credits, als würde es sich um eine andere Person handeln. Er oder sie taucht auch noch auf weiteren Nummern des Albums auf.
„The Ballad of Dorothy Parker“
Prince war wie gesagt sehr experimentierfreudig und so nutzte er sogar unvorhergesehene Zwischenfälle als Inspiration. So zum Beispiel bei diesem Stück. Kurz vor der Aufnahme war es durch einen Schneesturm zu einem Stromausfall gekommen und das Mischpult erhielt nur die die halbe Stromstärke. Dadurch bekamen die Instrumentalspuren einen dumpfen Klang, es fehlten die Höhen. Prince ließ das dann aber bewusst so.
Die Lieder „It“ und „Hot Thing“ zeigen perfekt, wie bewusst Prince künstlich erzeugte Klangelemente von Synthesizern oder Drumcomputern einsetzt und wie virtuos er sie in seinen Sound einbaut. Als Gegensatz dazu „Starfish And Coffee„, ein eingängiger Popsong mit Piano und „Slow Love„, eine soulige Ballade. Solche Gegensätze machen Sign ‚O‘ The Times aus, man ist zwar gefordert, kann aber auch jede Menge Spass haben.
Ganz ohne Synthesizer folgt dann „Forever In My Life„. Lediglich die Gesangsspuren mit Percussion, mehr braucht es nicht.
„U Got the Look“ ist ein Duett mit der Sängerin Shena Easton mit einer funky Hook und virtuos gespielte Gitarre. Damit es aber nicht zu eingängig wird, hat Prince ab der zweiten Hälfte einige Verrücktheiten eingebaut.
„If I Was Your Girlfriend“ ist wieder ein Bestandteil des Camille-Projekts, mit am Ende stark verfremdeten Vocals. Man hört im Fortgang des Stücks förmlich seine sich steigernde Besessenheit. Ich mag den funky Slapbass 🙂
Nach den eher kurios anmutenden Nummern kommt „Strange Relationship“ dann fast schon gewöhnlich daher. Wieder mit Camille-Vocals.
„I Could Never Take the Place of Your Man“
Hier zeigt uns Prince erneut sein ganzes Können an der Gitarre, zunächst solistisch und volle Rohr. Im zweiten Teil dann eher zurückhaltend, aber ohne die Spannung zu verlieren. Seine Licks kommen immer auf den Punkt. Genial.
„The Cross“
„The Cross“ soll wohl eine christliche Hymne sein. Zunächst nur von einer Akustikgitarre begleitet wohlig einlullend (also musikalisch gesehen), aber dann setzt wuchtig das Schlagzeug ein und man schreckt alarmiert hoch. Überzeugend arrangiert.
„It’s Gonna Be a Beautiful Night“
zeigt, dass Prince auch live ein Perfektionist ist und wie er die grossartige Band im Griff hat. Das Stück wurde bei einem Konzert im Le Zenith in Paris mitgeschnitten, Prince ergänzte im Studio noch Overdubs und eine Rap-Einlage von Sheila E, die auf auf der Live-Aufnahme auch Percussion spielte. Funk at its best!
„Adore“
Zum Runterkommen gönnt er uns dann noch eine Ballade und zieht alle Register seiner Stimme. Falsett bis in höchste Höhen, mal glasklar, mal kratzig, aber auch Sprechstimme und beschwörende Tiefen, Prince hat’s einfach drauf!
Sign ‚O‘ The Times zeigt das unglaubliche musikalische Spektrum von Prince. Alles ist dabei: Pop, Rock, Jazz, Funk, R’n’B, Blues, Disco… Die Beschränkung seines Labels entfachten seine höchste Kreativität. Zu Recht ist das Album heute ein Meilenstein in der Musikgeschichte
Ein Gedanke zu „Jubiliare, Teil 2: Vor 30 Jahren veröffentlichte Prince „Sign O‘ The Times““